– Aus der Kriegsbiographie des Fliegers Theodor Mönnighoff –
Wer war Theodor Mönnighoff? Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in Kassel hat mich um die biographischen Daten meines Onkels gebeten und zu einer Gedenkveranstaltung an den Gardasee eingeladen, anlässlich des 50. Jahrestages der Einweihung der deutschen Kriegsgräberstätte in Costermano am 5. August 2017. Dort liegt Theodor Mönnighoff begraben, der zuerst in Bergamo bestattet wurde. Er war einer von über 21.900 deutschen Soldaten, die den Tod im norditalienischen Raum fanden, zwischen San Remo im Westen und Triest im Osten, zwischen Genua und der Po-Mündung im Süden und den Alpenpässen im Norden.
Im Jahr 1955 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Italien ein Kriegsgräberabkommen geschlossen. Alle während des Zweiten Weltkrieges in Italien gefallenen Deutschen sollten auf einige wenige große Soldatenfriedhöfe umgebettet werden. Aus diesem Grund wurde auch am Gardasee ein deutscher Soldatenfriedhof angelegt und am 6. Mai 1967 eingeweiht.
Die Kriegsgräberstätte liegt südlich des Ortes Costermano auf einem schmalen Bergrücken, wo einst Wein angebaut wurde. Von dort, so heißt es in einer Beschreibung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, habe man einen schönen Blick auf die Landschaft: Alpengipfel im Norden, Weinhügel im Osten und Süden und der Gardasee im Westen. Eine malerische Kulisse! Der Kontrast zu dem Schicksal der Menschen, deren Gräber zu Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern mahnen, könnte kaum größer sein.
Wer war dieser Theodor Mönnighoff, dessen Name auf dem Ehrenmal an der Scheidinger Kirche steht? Zeitzeugen, die ihn persönlich gekannt haben, leben nicht mehr. Immerhin existieren noch ein paar schriftliche Aufzeichnungen, vor allem Feldpostbriefe, die uns etwas über den Menschen mit der Erkennungsmarke 472-Fl.H.Kstr.Wer.2 sagen können.
Theodor Mönnighoff wurde am 17. April 1918 in Scheidingen geboren, eines von acht Kindern der Eheleute Franz und Elisabeth Mönnighoff geb. Eggenstein. Er wuchs auf dem elterlichen Hof auf und half in der Landwirtschaft mit. Als Hoferbe war sein älterer Bruder Franz vorgesehen. Theodor sollte ein Handwerk erlernen und begann am 1. Okt. 1931 eine Lehre zum Schlosser. Aber nicht etwa in der näheren Umgebung, sondern in Münster bei Schlossermeister Franz Böhmer. Dort arbeitete er auch nach seiner Gesellenprüfung, bis ihn der Reichsarbeitsdienst am 1. April 1939 einzog. Sein Lehrmeister beschrieb Theodor als „treue Stütze“ des Betriebes und wünschte ihm auf dem weiteren Lebensweg „gute Erfolge“. Er konnte nicht ahnen, wie kurz dieser Lebensweg sein würde.
Wie aus dem Schlosser der Flieger Mönnighoff wurde, darüber ist nur wenig bekannt. Am 12. Februar 1943, so eine Eintragung im Krankenbuch, wurde er durch den Truppenarzt beim Reichsarbeitsdienst auf Marschfähigkeit untersucht und für tauglich befunden. Fest steht auch, dass Theodor eine Zeit lang auf dem neuen Fliegerhorst Werl stationiert war, bevor er oder seine Einheit nach Bergamo verlegt wurde. Dort gehörte er zum technischen Bodenpersonal und war dem Werkstattzug zugeordnet, offenbar noch als Zivilist. Denn im September 1943 berichtet er von einem Befehl, dass alle „Zivilen“ in die Wehrmacht eingegliedert werden sollten. Also müsse ihn das zuständige Bezirkskommando Soest einberufen. Die Arbeit bleibe dieselbe wie früher.
In seinem Brief v. 8. September 1943 schreibt er: „War am 6.9. beim Arzt, 4 Tage Bettruhe und 2 Tage so langsam wieder anfangen. Diät 5 Tage. Ich habe Durchfall und bin schlapp. Ich hoffe, dass es gut vorüber geht. Macht Euch keine Sorgen. Es wird viel verlangt im 5. Kriegsjahr. Mit der Bombardierung der Heimat ist es ja schlimm, bei Tag und Nacht.“ Die Heimat, nach der er sich so sehnte, hatte er zuletzt im Juli 1943 gesehen.
Zwei Tage später der nächste Brief, in dem er wieder dieselben Krankheitssymptome schildert und dazu aufruft, mutig zu sein: „Ich liege seit Montag im Bett, Durchfall, auch heute noch. Morgen früh zum Arzt … O, wie hat sich hier so sehr vieles geändert … Was hab und musste ich alles erleben. Gott Dank noch und noch. Wie mag nun alles werden und wann ist Schluss? … Ich schreibe zur Beruhigung Lebenszeichen in dieser Lage …Seid bitte frohen Mutes wie ich, immer, bis in den Tod. Wann, weiß ja keiner.“
Ein weiterer Brief datiert vom 12. September 1943, es sollte sein letzter sein. Theodor macht sich große Sorgen über die damalige Entwicklung. Deutsche Truppen hatten den Befehl, die italienischen Verbände zu entwaffnen, nachdem Mussolini gestürzt worden war und der vormalige Bündnispartner Italien einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte. Der „Duce“ wurde von deutschen Fallschirmjägern befreit und bildete in Salò am Gardasee eine Marionettenregierung. Außerdem waren Truppen der Alliierten nach der Befreiung Siziliens in Süditalien gelandet.
Wörtlich schreibt Theodor: „O, wie wird alles werden … Gott möge mich beschützen … Mailand gestern in deutscher Hand, hat sich jetzt uns ergeben … Ich schreibe, solange es geht … Gallipoli, Taranto, Lecce: Amerikaner. Wie mag alles werden? Ich weiß es nicht. Ich will hoffen, dass ich das Reich noch mal erreiche. Mit Gottes Schutz und klarem Geist weiter. Alles ist nun wirrwarr.“
Theodor fragt seine Angehörigen, ob es zu Hause allen gut gehe und erkundigt sich nach den beiden Brüdern Franz und Josef. Der damals 31-jährige Franz diente bei den Flakscheinwerfern und verstarb am 8. Mai 1945 an den Folgen eines Bauchschusses in Horn (Niederösterreich). Der erst 16-jährige Schüler Josef befand sich zum damaligen Zeitpunkt in Bad Reichenhall. Dorthin hatte man ihn, seine Mitschüler und Lehrer verschickt, nachdem die von ihm besuchte Knaben-Mittelschule in Münster ausgebombt worden war. Kurz vor Kriegsende musste er noch zum Reichsarbeitsdienst. Anstelle eines Klappspatens bekam er sofort einen alten Karabiner in die Hand gedrückt und den Befehl, mit gerade mal 17 Jahren gegen Marschall Titos Partisanen zu kämpfen. Mein Vater hatte Glück und blieb am Leben.
„Nun seid alle recht herzlich gegrüßt von Theodor. Wer weiß, wie lang er noch lebt, darum halte man sich stets bereit. Ich weiß es nicht, ob es meine Grabstätte wird (dieses Land), sollte es sein, so will ich bei Gott für Euch bitten da droben … Dieser wird hoffentlich nicht der letzte Gruß von mir sein. Sollte es sein oder später, so ist es schwer und hart für Euch. Aber wenn es Gottes Wille ist, so ist es gut … Ich hoffe dass ich gut hier herauskomme.“
Am 16. September 1943 wird Theodor mit Fieber aufs Krankenrevier gebracht und nach einigen Tagen ins italienische Militärlazarett Bergamo eingeliefert. Über seinen aus Werl stammenden Kameraden Karl Keßler lässt der Kranke am 23. September herzliche Grüße an seine Familie in Scheidingen ausrichten. Theodor fühle sich sehr schwach, so dass er selbst keinen Brief schreiben könne, so Keßler. Die Magen- und Darmerkrankung sei aber weiter nicht ernstlich, versucht er die Angehörigen zu beruhigen.
Am 28. September 1943 meldet sich Kamerad Keßler erneut. Theodor bedanke sich für die Päckchen aus der Heimat, könne aber selbst noch nicht schreiben: „Die Sache wird sich aber schon bald wieder machen, so dass er selbst wieder einen schriftlichen Gedankenaustausch mit Ihnen vornehmen kann … Wir wollen hoffen, daß der Krieg bald ein gutes Ende nimmt und alle wieder in die Heimat zurückkehren können. Nach seiner Wiederherstellung wird Theo wohl Genesungsurlaub bekommen.“
Ein weiterer Feldpostbrief v. 11. Oktober 1943 stammt von Josef Feldmann, der sich selbst als gewöhnlichen Soldaten bezeichnet. Feldmann wirkte vor und nach dem Krieg als Vikar in Höxter und hat Theodor Mönnighoff in Bergamo beerdigt. In bewegenden Worten erzählt er von Krankheit, Tod und Begräbnis und spricht der Familie sein tief empfundenes Beileid aus: „Wie groß Ihr Schmerz ist, kann ich nur ahnen. Gott möge Sie trösten in Ihrem schweren Leid.“
Bauer Franz Mönnighoff bedankt sich am 23. Oktober 1943 für die „trostreichen Worte“, auch im Namen der ganzen Familie. Er bittet darum, dass die Grabstätte seines Sohnes „dauernd kenntlich und auch sicher nachweisbar ist und bleibt!“ Und er verspricht: „Sobald mal die Verhältnisse die Möglichkeit dazu bieten, wollen Angehörige des teuren Verstorbenen noch gern sein Grab in Bergamo besuchen.“
Lt. Totenschein des Truppenarztes ist der Flieger Theodor Mönnighoff am 6. Oktober 1943 um 3.30 Uhr gestorben. Todesursache: Typhus. Aus der Todesanzeige der Familie vom 18. Oktober 1943 geht hervor, dass sich der Verstorbene diese schwere Krankheit in Süditalien zugezogen und sein junges hoffnungsvolles Leben im Alter von 25 Jahren geopfert habe. Sein sehnlichster Wunsch, seine Lieben in der Heimat wiederzusehen, sei nicht in Erfüllung gegangen.
Ich habe mir vorgenommen, im Sommer nach Costermano zu reisen, Block 9 Grab 184…