Interview mit Max und Lutz Ohsenbrink
„Scheidingen liegt dort, wo das Stielmus sprießt“, heißt es in einer alten Dorfhymne. Wo früher frisches Gemüse gezogen wurde, wo Bauern, Eisenbahner und Postbeamte ihre Heimat fanden, wachsen heute zwei talentierte Motorsportler heran, genau in der Mitte Westfalens. Höchste Zeit für ein Interview mit Max und Lutz Ohsenbrink.
Der 16-Jährige Max und sein vier Jahre jüngerer Bruder Lutz haben schon so manches Rennen in ihren fahrbaren Untersätzen gewonnen, die man Karts nennt. Beim Boxenstopp am Bierbäumchen sind auch der Vater Dirk Ohsenbrink sowie Mechaniker Felix Arndt dabei. Die Fragen stellte Martin Mönnighoff, der als Kind mit dem Kettcar etliche Hofrunden drehte.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Ihr mit Eurem „Go Kart“ den Lindacker rauf und runter gefahren seid. Wann habt Ihr das Tretauto gegen ein Kart mit Benzinmotor eingetauscht?
Max: Das muss ungefähr 2015 gewesen sein, mit 9 Jahren. Zunächst bin ich Slalom gefahren, habe Pylonen umkurvt beim MSC Werl. Das ist eine gute Übung für jeden Fahranfänger. Aber richtige Rennen auf der Piste haben mich noch mehr gereizt.
Lutz: Bei mir war es ähnlich, nur etwas später, weil ich jünger bin als mein großer Bruder.
Wie kam es dazu? Gab es einen besonderen Anlass?
Max: Ich habe bei einem Knax-Preisausschreiben der Sparkasse ein Schnupper-Training beim Soester Automobil- und Motorrad-Club gewonnen. Danach ließ mich das Rennfieber nicht mehr los.
Bei einem Kettcar muss man kräftig in die Pedale treten, um voranzukommen. Wie schnell seid Ihr in Euren Flitzern?
Lutz: Bis zu 130 Km pro Stunde, wenn Max Gas gibt. In meiner Altersklasse sind die Motoren gedrosselt, so dass wir etwas weniger Tempo machen können.
Wo trainiert Ihr?
Max: Werl hat keine Rennpiste. Deshalb liegt unsere „Hausbahn“ in Kerpen am Niederrhein, wo wir für das KSL Racing Team starten.
Lutz: Im Werler MSC sind wir auch weiterhin noch Mitglied.
Nervt es Euch, mit den Brüdern Michael und Ralf Schumacher verglichen zu werden?
Max: Warum sollte uns das stören?
Lutz: Wir sind nicht die einzigen Brüderpaare auf der Rennpiste.
Ein typisches Rennwochenende, wie sieht das aus?
Max: Wir sind an ca. 25 Wochenenden im Jahr unterwegs, in Deutschland und im europäischen Ausland. Wenn das nächste Rennen ansteht, machen wir uns in der Regel bereits am Donnerstag auf den Weg. Die Karts werden in den LKW verladen, in dem auch eine Werkbank und jede Menge Ersatzteile Platz finden. Wir selbst sitzen im Wohnmobil.
Lutz: Statt Schule haben wir am Freitag freie Trainingsläufe. Samstagmorgen geht´s weiter mit dem Zeittraining, in dem die Startplätze für die Vorläufe am Nachmittag ermittelt werden. Die Ergebnisse dieser Vorläufe werden zusammengerechnet. Die besten Fahrer qualifizieren sich für die Finalrennen, die am Sonntag stattfinden.
Was macht Ihr an den rennfreien Wochenenden, ausschlafen?
Lutz: Wir schauen uns Kartrennen im Fernsehen an, schrauben an den Autos oder treffen Freunde.
Max: Ich habe vor kurzem meinen Motorradführerschein gemacht.
Nennt mir bitte das außergewöhnlichste Erlebnis in Eurer noch jungen Rennfahrerkarriere?
Lutz: Im vergangenen Jahr sind wir beide in unseren Altersklassen Vizemeister bei den Bundesendläufen der ADAC-Regionalmeisterschaften in Mülsen geworden.
Habt Ihr einen Sponsor?
Max: Unsere Eltern und Großeltern, ohne die würde nichts laufen.
Karting gilt als teures Hobby. Was kostet so ein Rennauto?
Vater Dirk meldet sich zu Wort: 90 % der Modelle kommen aus Italien. Mit Reifen, Bordcomputer, Sitz und Motor rund 9.000 Euro.
Ein Sprintrennen über eine Gesamtdistanz von 21 Kilometer, die sich auf mehrere Runden verteilen, ist doch sicher auch anstrengend. Wie haltet Ihr Euch körperlich fit?
Lutz: Ich spiele Fußball beim SUS Scheidingen.
Max: Ich jogge gern, wenn ich nicht gerade Motorrad fahre.
Ihr sitzt nur wenige Zentimeter über der Fahrbahn in einer schnellen „Kiste“ ohne Knautschzone. Karting gehört zu den gefährlichen Sportarten und ist mit deutlich größeren Risiken verbunden als z. B. Wassergymnastik oder Schach. Ist Euch das bewusst?
Max: Stimmt, unser Hobby ist nicht ganz ungefährlich, aber das Risiko, sich beim Reiten zu verletzen, ist größer.
Habt Ihr Euch schon mal verletzt?
Lutz: Ich habe mir schon mal das Handgelenk gebrochen, als ich von der Piste in eine Reifenbarriere gerast bin. Max hatte bisher nur ein paar Prellungen.
Eure Mutter hat versucht, Euch für andere Sportarten zu begeistern…
Beide: Wir wollen Kart fahren.
Was motiviert Euch, ist es der Nervenkitzel?
Beide: Es macht einfach sehr viel Spaß, schnell zu fahren, mit den Gegnern auf der Piste um die beste Position zu kämpfen – und zu gewinnen!
Kartfahren ist nichts für Weicheier. Was muss man als Kart-Pilot mitbringen, um Erfolg zu haben?
Max: Mut, Ausdauer und nicht zu viel Körpergewicht. Denn schließlich kann man keinen Ballast abwerfen, die Karts sind extra leicht gebaut. Wer dagegen zu wenig auf die Waage bringt, hat die Möglichkeit, sein Fahrzeug vor dem Start mit Gewichten schwerer zu machen. Sonst würde man aus der Kurve fliegen.
Lutz: Kartfahren ist ein sehr „kontaktfreudiger“ Sport. Jeder wird mal von der Bahn geschubst oder schubst die anderen aus dem Weg. Das gehört einfach dazu. Unser Techniker Felix, der selbst viele Rennen gefahren ist und uns wertvolle Tipps gibt, kann das bestätigen.
Max: Man muss sich durchsetzen, die Lücke suchen und finden. Wer zu zimperlich ist, hat keine Chance. Das erfordert schon eine gewisse Härte – gegen sich selbst und andere. Wenn mein Bruder im nächsten Jahr auch bei den Senioren fahren darf, dann ist er ein Konkurrent wie jeder andere auch.
Lutz: Darauf bin ich jetzt schon gespannt. Dann wird sich zeigen, wer der Bessere ist.
Habt Ihr Vorbilder? Wenn ja, welche?
Max: Max Verstappen, der im vergangenen Jahr erstmals Weltmeister in der Formel 1 geworden ist.
Lutz: Lewis Hamilton, der schon sieben Weltmeistertitel gewonnen hat.
An welchen Meisterschaften bzw. Wettbewerben habt Ihr bisher teilgenommen?
Max: Mir fallen die Meisterschaften im Westdeutschen und im Süddeutschen ADAC Kartcup ein, außerdem die ADAC Kart Masters.
Lutz: Anfang April sind wir beide bei der 33. Andreas Margutti Trofeo in Italien am Gardasee gestartet. Das war ein tolles Erlebnis. Leider hat das Wetter nicht ganz mitgespielt.
Ihr beide habt „Benzin im Blut“. Könntet Ihr Euch vorstellen, auch in Karts mit Elektromotor zu steigen?
Max: Es gibt bereits eine E-Kart-Klasse, die sich „grün“ lackiert hat. Aber um die Batterien aufzuladen, werden extra große Dieselaggregate angeworfen. Das ist alles andere als umweltfreundlich und ergibt für mich keinen Sinn.
Wie sieht´s mit der Schule aus?
Max: Gut, ich besuche das Ursulinengymnasium in Werl.
Lutz: Ich gehe in die 6. Klasse der Ursulinen-Realschule. Solange die Zensuren stimmen, gibt´s keine Probleme mit der Freistellung vom Unterricht.
Was plant Ihr nach Eurer Schulzeit?
Max: Nach dem Abitur möchte ich Maschinenbau studieren und irgendwann die Firma meines Vaters übernehmen.
Lutz: Was ich nach der Schule machen werde, weiß ich noch nicht. Bis dahin ist noch viel Zeit.
Max und Lutz, ich danke Euch für das Gespräch!